Hallenbadtraining am Freitag 15. Dezember 2023 war ein Highlight.
Genuss der Monotonie
Monotonie ist ein sehr negativ besetzter Begriff: "Wie gefällt dir dein neuer Job?", Antwort: "Die Arbeit ist stumpfsinnig und monoton, ich werde mir was Abwechslungsreicheres suchen!"
Mir ist das erste Mal aufgefallen, dass Monotonie auch etwas sehr Schönes sein kann, als ich im Rahmen einer Ausbildung vor etwa 30 Jahren an der Uni Zürich an einem Experiment teilgenommen haben. Das Experiment hiess "Die bunte Papierfabrik" oder so ähnlich und wurde von einer Mitarbeiterin am Institut für Arbeitspsychologie durchgeführt. Wir wurden in zwei Firmen eingeteilt, jeder Teilnehmende bekam eine Funktion zugewiesen, es gab ein grosses Organigramm an der Wand und wir warteten gespannt auf die ersten Aufträge. Die kam dann nach und nach ins Spiel im Sinne von "Bestellung von 10 Windrädern in Rot". "Windräder" sind diese aus einem Blatt gefalteten Objekte, die man an einen Stock gepinnt, im Wind drehen lassen kann. Der Witz an der Übung war, dass wir gezwungen waren, extrem arbeitsteilig vorzugehen. Jemand zählte die richtige Anzahl Blätter in der gewünschten Farbe ab und reichte den Stapel weiter. Die nächste Person machte den ersten Falz diagonal und reichte das Papier weiter. Es handelte sich also um eine Simulation von Fliessbandarbeit, wie sie am Anfang der Industrialisierung gemacht wurde.
Man liess uns dann ca. 2 Stunden lang so arbeiten, die Aufträge wurden immer grösser und komplexer "20 Windräder in Rot, 20 in Grün und 10 in Blau" und jeder von uns machte immer genau einen Handgriff. Nach dem die Übung fertig war und der Stapel an Windräder immer grösser wurde, wurden wir über unser Wohlbefinden befragt. Die meisten schilderten negative Gefühle von Machtlosigkeit, Stress und das Gefühl nur ein kleines Rädchen in einer grossen Maschine zu sein. Es gab allerdings auch positive Wortmeldungen im Sinne von: "Ich konnte einfach abschalten und meine Hände haben den Handgriff irgendwann automatisch gemacht." Ich persönlich fand die Übung sehr bereichernd und das Ausführen von einfachen Handgriffen hunderte von Malen, als meditativ.
Bei einer Betriebsbesichtigung bei der Firma Bernina in Steckborn, einige Jahre später, wurde uns vom CEO, der uns herumgeführt hat, ähnliches berichtet: Die Arbeit bestehe im Wesentlichen darin, zu Löten, Teile zusammenzuschrauben und dann das Teil weiterzureichen. Man habe diverse Anläufe unternommen um die Monotonie aufzubrechen mit Job Rotation und ähnlichen, aber habe dann festgestellt, dass die Mitarbeiterinnen (die überwiegende Mehrzahl der Mitarbeitenden waren Frauen in Teilzeit) dies gar nicht wünschen. Am liebsten würden sie jahraus und jahrein die gleichen Handgriffe ausführen und würden dabei miteinander reden. Für sie sei die Tätigkeit wie Stricken, was ja auch weitgehend aus dem Ausführen immer der gleichen Bewegungen besteht.
Übertragen auf das Freediving, gibt es ein paar Übungsformen, die auch auf dem Prinzip der Monotonie basieren. Heute habe ich wieder einmal eine davon trainiert im Rahmen meines Donnerstagstrainings in Wiesendangen. Es handelt sich um ein kleines Schulhallenbad mit 4 Bahnen à 16.6m (1/3 von 50m) Länge. Meistens machen wir da ein sehr abwechslungsreiches Training mit Stretching am Beckenrand, dann Static mit leerer Lunge, dann meistens ein individuelles Eintauchen und dann gemeinsame Übungen wie zb. DYN-STA-DYN mit progressiv längeren Static-Zeiten. Zum Schluss auch oft spielerische Elemente wie Kriechen oder durch Törchen tauchen oder Speed-Flossenschlag an der Oberfläche.
Manchmal komme ich aber auch ins Training und habe keine Lust auf Spiele, Abwechslung oder Reden, sondern will einfach in Ruhe meine Bahnen ziehen. So auch heute und so haben wir zu Zweit "Meilentauchen" gemacht, während der Rest der Gruppe ihr Training durchgezogen haben. "Meilentauchen" ist nichts anderes als 100 Längen à 16.6m tauchen, was etwa einer Englischen Meile entspricht. Ich habe die Übung, welche etwa eine Stunde dauert, heute so gemacht, dass ich immer Einheiten à 10 Doppellängen gebildet habe. Erst also 20 Längen einzeln à 16.6m mit ganz kurzen Pausen (also ein CO2 Training) und dann 10 Doppellängen à 33.2m mit 30 Sekunden langen Pausen.
Bei diesem Training stellt sich bei mir innerhalb der ersten 10 Minuten eine Ruhe und Gelassenheit ein, wie ich es bei anderen Trainingsformen nicht erreiche. Ich denke an nichts, ich spüre das Auf- und Ab der Flossen (ich habe die Übung heute mit den Bifins gemacht) und spule so Länge nach Länge ab. Bei dieser Übung konzentriere ich mich anfänglich auf die korrekte Ausführung der Bewegungsabläufe, dass also meine Flossen nicht zusammenschlagen und ich nach oben und unten die gleiche Amplitude der Bewegung mache. Nach einer Weile macht mein Körper einfach, mein Gehirn lässt das Testbild laufen und ehe ich es mich versehe, ist die Stunde um und die 100 Längen hinter mir.
Tipp von mir: Kaufe dir einen (oder mehrere) dieser "Tally Counter" oder "Handzähler", dann ersparst du dir die intellektuelle Anstrengung des Zählens und Behaltens wie viele Doppellängen du jetzt schon hinter dir hast. Diese Tally Counter bekommst du auf eBay oder Direktversand aus China für ein Butterbrot. Im nassen Umfeld, in welchem wir uns bewegen, halten sie zwar nicht ewig (meine modern nach dem Training feucht in der Tauchtasche rum) aber ein paar Jahre halten sie, bis das Getriebe, von Chlor und Rost zerfressen, seinen Geist aufgibt.
Vielleicht hast du ja auch Lust, diese Trainingsform auszuprobieren und findest Genuss in der Monotonie? Es würde mich sehr freuen, wenn du in den Kommentaren deine Erfahrungen mit mir und meinen Lesern teilst.
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